Wie funktioniert kunsthistorische Forschung? Ein Beispiel

Unter Kunstliebhabern wird gelegentlich kunsthistorische Forschung unterschätzt. Anders als bei den Naturwissenschaften scheint Kunst jedem zugänglich zu sein und eine Wissenschaft unnötig; ihre Erkenntnisse werden nicht selten belächelt, angezweifelt, ignoriert oder sogar aus subjektiven Erwägungen korrigiert mit dem einfachen Argument: "ich sehe das eben anders".

 

Dass trotz aller Wissenschaftlichkeit auch kunsthistorische Erkenntnisse Ergebnisse wissenschaftlicher Analysen sind und in diesem Sinn zwar gut begründet, aber dennoch - wie es bei den Geisteswissenschaften allgemein der Fall ist - zeitbedingt und korrekturbedürftig sein können, dass sie immer nur so lange gelten, wie nicht ihr Gegenteil bewiesen ist, ist eine Grundeinstellung von Wissenschaft, auch und gerade von Sozial- und Kulturwissenschaften. Allerdings bedeutet dies keineswegs, dass zu korrigierende, ältere Forschungsergebnisse deswegen wertlos würden. Sie sind Stufen auf einer Treppe, die langsam immer weiter hinauf führt - wahrscheinlich ohne jemals an ein Ende zu kommen - und an der jede einzelne Stufe wichtig ist.

 

Ein Beispiel

Die 1960er/70er Jahre waren eine Zeit, in der innerhalb der Wissenschaft der Kunstgeschichte der Blick intensiv auf das Studium von Quellen, von Schriftdokumenten gelenkt wurde. Auch dies war ein Fortschritt, denn in der Zeit davor hatte man sich auf rein kunstimmanente Phänomene konzentriert - "Stilkritik" hatte das Thema geheißen und war seinerseits ein Fortschritt gegenüber der vorhergehenden Zeit gewesen. Nun aber wurde die Stilkritik abgelöst durch eine gewisse Vorform von Interdisziplinarität - in die Interpretationen der Kunstwerke wurden schriftliche Zeugnisse einbezogen, auch und gerade solche, die nicht explizit Kunst zum Thema hatten, sondern eher die Geistesgeschichte der Zeit geprägt oder ausgedrückt hatten.

 

Abbildung 1: Mathis Gothart Nithart, genannt Grünewald, Johannes der Täufer (Isenheimer Altar, Schauseite 1/ Werktagsseite: Kreuzigung Christi), 1512-1516; Colmar, Unterlinden-Museum

 

 

 

Der Kunsthistoriker Ewald M. Vetter (1922-2006) hat sich intensiv mit Mathis Gothart Nithart beschäftigt, der damals noch "Matthias Grünewald" genannt wurde. (Es geht hier nicht darum, die Forschungserkenntnisse bezüglich dieses Namens, der auf einen Irrtum zurückgeht, aufzuzeigen - allerdings wäre dies ebenfalls ein gutes Beispiel für Erkenntnisfortschritte und Korrekturen kunsthistorischer Forschung). Im Zusammenhang des Isenheimer Altars behandelte er in einem Vortrag (veröffentlicht 1968 in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil. Hist. Klasse, Supplemente, 1968/2) unter anderem die Gestalt des Täufers Johannes und seinen berühmten, überdimensionierten Zeigefinger, mit dem er auf den Gekreuzigten weist.

Er räumt gerade dieser Gestalt viel Raum ein und seine Darstellung zeugt von großer Fach- und Sachkenntnis, die die Kenntnis vieler zeitgenössischer Texte mit einschließt: "Riesenhaft und von dem Auftrag, Zeugnis abzulegen, ganz erfüllt, scheint alle seine Kraft versammelt in dem Zeigegestus, der den Größeren bezeichnet: Ilum oportet crescere me autem minui." (S. 29 [Anm. 1 -  Anmerkungen siehe unten/Textende]) In den Augen Vetters bildet die Gestalt des Täufers "den Schlüssel zum Verständnis des gesamten Darstellungsprogramms". (S. 29)

 

Schon seine ersten Beobachtungen verknüpft Vetter mit dem heilsgeschichtlichen Hintergrund, der sich aus dem Bibeltext ergibt, und mit derKenntnis, die wir von dort über Johannes den Täufer haben. Er nimmt vor allem den Ausspruch des Täufers in den Blick, in dem er Christus als das "Lamm Gottes" bezeichnet hatte (Joh 1,29). Von dort geht er unmittelbar auf die Predigten Geilers von Kaisersberg ein, dann auf den Finger des Täufers, der seit dem 6. Jahrhundert "als Reliquie im Abendland verehrt" wurde, und auf die Legende, die damit zusammenhängt (S. 29), dann auf die Geschichte der Ikonographie des Johannes, die bis in konstantinische Zeit zurückgeht, auf Darstellungen des 6., 7., 11., 14. und 15. Jahrhunderts, schließlich auf ikonographische Varianten und auf theologische Implikationen, die sich aus diesen Varianten ergeben. Auch der Bezug zur Liturgie, in der das Wort vom "Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt", eine bedeutende Rolle spielt, fehlt nicht.

 

Als dem Isenheimer Bild ähnlichstes Vergleichsbeispiel führt Vetter ein Triptychon an, das 1468 vom Meister des Breslauer Barbara-Altars für den Kanonikus Peter von Wartenberg gemalt wurde.

Abbildung 2: Meister des Breslauer Barbara-Altars, Johannes der Täufer (Triptychon des Kanonikus Peter von Wartenberg, linke Tafel), 1468; Breslau, Dom

 

 

 

Das Bild fasziniert, da es der Darstellung Johannes' des Täufers am Isenheimer Altar tatsächlich sehr ähnlich ist, einschließlich des Buchs und der auffälligen Zeigehand. Vetter zufolge fügt der namentlich nicht bekannte Meister die Gestalt "der Kreuzgigung des Mittelbildes auf dem linken Flügel als Prediger der Buße und als Künder der vollzogenen Erlsöung bei" (S. 32).

Interessanterweise verweist Vetter auch auf den offenkundigen Widerspruch der darin besteht, dass angesichts der Kreuzigung die Mission Jesu - die der Bibel zufolge darin besteht, die Menschheit zu erlösen und den Beginn der Gottesherrschaft herbeizufüren - doch ausweglos und zu Ende zu sein scheint und dass der Täufer dennoch in diesem Zusammenhang prophetisch wirksam wird. Allerdings geht er im nächsten Satz schon wieder über das Bild hinaus, führt eine Predigt Bernhards von Clairvaux an und konzentriert sich wiederum auf den Bezug zum "agnus Dei", der auf der Breslauer Altartafel durch das Spruchband hergestellt wird, das den Täufer begleitet und das u.a. in einem Hymnus des 15. Jahrhunderts thematisiert werde, den Vetter wörtlich zitiert. Davon ausgehend spekuliert er über jene Stelle, die wohl in dem Buch aufgeschlagen ist, das der Isenheimer Täufer in seinen Händen hält, jedoch nicht zu entziffern ist, und führt dafür ein Zitat des Propheten Jesaja an, in dessen Sinn er das Lamm zu Füßen des Täufers auf dem Isenheimer Altar deutet.

 

Und gerade hier erkennen wir einen typischen Zug der kunsthistorischen Forschung der 1960er und 70er Jahre, die maßgeblich durch Erwin Panofsky (1892-1968) geprägt worden ist. Diese Forschung ist so sehr auf die mehr oder weniger zeitgenössischen Schriftquellen fixiert, dass sie den genauen Blick auf das Bild, um das es eigentlich geht, vernachlässigt. "Über die Bilder selber", so fasste es Hans Belting 1994 zusammen, "hat man sich wenig Gedanken gemacht." Man habe sie über all der Lektüre in den Quellentexten gleichsam "vergessen". (Anm. 2)

Tatsächlich scheint Vetter bei der Lektüre all der gelehrten Literatur übersehen zu haben, dass es sich bei dem Zitat auf dem Isenheimer Altar, das Mathis dem Johannes in den Mund gelegt hat, eben nicht um das bekannte Zitat vom "Lamm Gottes" handelt! Während es auf dem Breslauer Triptychon auf dem Schriftband zu lesen ist, dass den Täufer begleitet - "Ecce agnus dei qui tollis peccata mundi" -, handelt es sich bei dem Zitat in Isenheim um ein anderes Wort des Täufers:

"Ilvm oportet crescere / me avtem minvi" - "Jener muss wachsen, ich aber muss kleiner werden"

 

Kann, ja darf man diesen Unterschied einfach übersehen? Darf man sich darüber hinwegsetzen, ihn unberücksichtigt lassen? Kann es sein, dass Vetter ihn einfach übersehen hat, dass er ihm nicht aufgefallen ist? Oder hielt er ihn für einen Zufall, nicht weiter von Bedeutung, vielleicht gar für einen Fehler des Malers, den er heimlich zu korrigieren suchte?

 

Vetter geht darauf tatsächlich nicht weiter ein. Er macht sich viele Gedanken über Form und Bedeutung der eigenartigen Gürtung des Täufers. Hier betont er, dass "dem so stark hervorgehobenen Gürtel Bedeutung" zukommen müsse (S. 34), was er durch zahlreiche Vergleichsbeispiele und - wiederum - die Anführung von zeitgenössischen Predigttexten belegt und zu deuten versucht. Aber im Zusammenhang des Zitats tut Vetter einfach so, als handelte es sich bei dem Ausspruch des Johannes um das bekannte "Ecce agnus Dei".

 

An einer späteren Stelle allerdings geht Vetter doch noch einmal auf das Zitat ein, und hier nimmt seine Interpretation nun fast absurde Züge an: der rote Mantel des Johannes verweise auf sein Martyrium - und dies tue auch das Zitat. Denn dem Kirchenvater Augustinus zufolge werde Johannes mit dem Schwert enthauptet, während Christus am Kreuz erhöht würde. Das Zitat deutet Vetter, vermeintlich auf der Grundlage des Augustinus, nun so, dass das "minui" ("ich muss kleiner werden") sich auf die Enthauptung beziehe, während das "crescere" ("wachsen") die Erhöhung am Kreuz meine. (S. 35f) Vetter führt eine große Zahl an mittelalterlichen Schriftzeugnissen (Honorius, Augustinus, Legenda aurea, Ambrosius) an, die diesen Zusammenhang ähnlich gesehen haben - dass sich dies jedoch auf das Zitat am Isenheimer Altar bezieht, vermag er in nicht zu belegen, und wie sollte er auch. Der Zusammenhang erscheint aus heutiger Sicht als nicht zwingend, ja willkürlich und unzutreffend. Tatsächlich kommt Vetter auf diesem Weg nicht weiter als bis zu der allgemeinen, unspezifischen und altbekannten Annahme, Johannes der Täufer erscheine auf dem Isenheimer Altar als letzter Repräsentat des Alten Bundes, der an der Schwelle zum Neuen Bund steht. Das vermag er zwar durch eine eindrucksvolle Zahl an zeitgenössischen, theologischen Quellen zu belegen (Epiphanius, Beda, Didymus Alexandrinus), aber er sagt damit nichts Neues und es ergibt sich die Frage, ob Johannes auf dem Altarbild wirklich eine so prominente Stellung einnimmt, nur um diese allgemeine Aussage zu machen.

 

Letztlich stellt sich sogar die Frage, was all die theologischen Quellen, die Vetter anführt, eigentlich mit dem Bild am Isenheimer Altar zu tun haben.

 

Und hier sehen wir nun, wie die aktuelle Forschung mit ihrem viel genaueren Blick auf die Bilder zu ganz anderen Ergebnissen kommt. Nicht zuletzt geprägt durch den Paradigmenwechsel, den Hans Belting (mit) herbeigeführt hat, steht heute eher die Befragung des Bilds als die mehr oder weniger willkürliche Hinzuziehung von historischen Quellen im Vordergrund, von denen man nicht einmal genau weiß, ob sie mit dem Bild in irgendeinem bedeutsamen Zusammenhang stehen.

 

Und diese neuartigen Formen der Analyse, die grundsätzlich das Bild selbst viel ernster nehmen, als das in der Nachfolge Panofskys geschehen war, führen dazu, dass man in der Deutung nun sehr viel weiter gehen kann - auch in der Deutung des Täufers auf der Kreuzigungstafel des Isenheimer Altar, nicht etwa durch die Hinzuziehung weiterer, neuer Quellentexte, sondern durch die Sensibilisierung für die im Bild verwendeten, spezifischen künstlerischen Mittel.

 

 

Und in diesem Zusammenhang wird u.a. die Beantwortung der obengenannten Fragen wichtig: Selbstverständlich ist es nicht ohne Bedeutung, dass Mathis ein anderes als das bekannte "Ecce agnus Dei"-Zitat wählt. Wir sind inzwischen dafür sensibilisiert, dass hinter solchen Unterschieden nicht etwa Unachtsamkeit oder gar ein Fehler, sondern eine sehr konkrete Absicht steckt, die für die Interpretation des Bilds von zentraler Bedeutung ist. Dies ist eine solche Spur oder Fährte, von der wir schon früher gesprochen haben (Anm. 3) und die zur besonderen Bedeutung dieser Darstellung führt.

 

Mathis zitiert mit dem "Ilvm oportet crescere / me avtem minvi" nicht zuletzt jenen Kontext, aus dem das Wort stammt: das Johannesevangelium (Joh 3,30) - jedoch nicht die (allzu-)bekannte Szene der Taufe Christi, sondern eine Sammlung von Aussprüchen des Täufers über Jesus, die ihn als den wahrhaftigen Messias bezeichnen (Joh 1,19–37, und 3,22–36). Auf diese Weise wird auf dem Bild der Widerspruch, den Vetter ja auch erwähnt hat, geradezu ins Groteske erhoben: Johannes spricht mit Geste und Wort Christus als den von den Propheten des Alten Testaments verheißenen Messias an, der die Heilsgeschichte vollenden und das auserwählte Volk erlösen soll. Dabei weist er mit seinem eindrucksvollen Zeigefinger allerdings auf einen entsetzlich verunstalteten, leidenden, erniedrigten, hilflosen Sterbenden hin.

 

Die auffällige Geste jedoch macht diesen offenkundigen Widerspruch - der nur dem auffällt, der intensiv das Bild ansieht und sich nicht immer wieder durch vermeintlich passende Schriftzeugnisse aus der zeitgenössischen Literatur vom Bild ablenken lässt - geradezu zum Thema des ganzen Bilds. Wie das Buch, das zweifellos auf die Prophezeiungen des Alten Testaments verweisen soll, ist der deutlich überdimensionierte Zeigefinger eine der hellsten Stellen der gesamten Bildtafel und bleibt jedem Betrachter über lange Zeit in der Erinnerung.

 

Der Zeigegestus gemeinsam mit dem Wort vom Messias werden von Mathis so inszeniert, dass ihre besondere Bedeutung bewusst betont wird. Sie verdrängen sogar alle jene erzählerischen Elemente, die wir von anderen Bildern der Kreuzigung Christi kennen. Sie sind also keineswegs zweitranging oder schmückendes Beiwerk. Stattdessen bezieht sich Mathis mit diesem offenkundigen Widerspruch zwischen der Ankündigung des Messias, auf dem die ganze Hoffnung des jüdischen Volks auf Wiederherstellung seiner Bedeutung als 'auserwähltes Volk' ruht, und der aktuellen, beklagenswerten Realität der Ermordnung eben dieses Messias ganz unmittelbar auf eine Tradition, die auf den Propheten Jesaja zurückgeht und in der Liturgie und Frömmigkeit des Spätmittelalters omnipräsent war. Bei Jesaja heißt es nämlich über diesen Messias:

 

"Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen." (Jes 52,14)

 

Und dieses Zitat, das Mathis sehr konkret in seine Darstellung umsetzt, bezeichnet nicht etwa spitzfindige, kaum bekannte Theologie, sondern war in der Liturgie, vor allem der Karwoche - wie gesagt - omnipräsent. Gerade der Hinweis auf das von Jesaja prophezeite Leiden Christi dient der Beglaubigung der bemitleidenswerten Gestalt am Kreuz als der wahre Messias.

 

Und dies ist gerade im Hinblick auf den Zusammenhang des Altars im Augustinerspital in Isenheim und den entsprechenden Betrachtern des Altars - die in den Ausführungen von Vetter tatsächlich keinerlei Berücksichtigung finden - von ungeheurer Bedeutung. Denn auf diese Weise bekommt ihr eigenes Leid, das der Gekreuzigte mit ihnen teilt, einen geradezu heilsgeschichtlichen Sinn.

 

(Näheres dazu in dem demnächst erscheinenen 5. Band der Reihe "einblicke - Kunstgeschichte in Einzelwerken: "Woran stirbt Jesus Christus? Und warum? Die Kreuzigungstafel des Isenheimer Altars").

 

Schluss

Das intensive Quellenstudium der älteren Forschung ist bis heute von großer Bedeutung für die Analyse der Werke. Aber nun gilt es, die Bilder wieder genauer in den Blick zu nehmen, ihre Bildsprache ernstzunehmen und sie nicht durch gelehrte Zitate aus zeitgenössischer Literatur zu verdecken, sie zu "vergessen", wie es #Belting formulierte. Wer die Kreuzigungstafel des Isenheimer Altars genau betrachtet, wird noch auf zahlreiche weitere Widersprüche treffen, die alle keine 'Fehler' sind, sondern beachtet werden wollen - denn sie sind es, die das Bild in entscheidender Weise prägen und ihm eine ganz spezifische Bedeutung verleihen, die weit über unspezifische Aussagen wie die, der Täufer repräsentiere den Alten Bund, hinausgehen. (Anm. 4)

 

Anmerkungen

1. Alle Zitate nach: Ewald M. Vetter, Die Kreuzigungstafel des Isenheimer Altars, in: Ders., Grünewald. Die Altäre in Frankfurt, Isenheim, Aschaffenburg und ihre Ikonographie, Weißenhorn 2009, S. 29-68 (Wiederabdruck des Aufsatzes von 1968).

2. Hans Belting, Spiegel der Welt. Die Erfindung des Gemäldes in den Niederlanden, München 1994, S. 7.

3. Christof L. Diedrichs, Das Paradies bleibt verloren. Gauguins Südseebilder (= einblicke. Kunstgeschichte in Einzelwerken 2), Freiburg/Norderstedt 2016 (2. Aufl.), S. 14-18 u.ö.

4. In seinem Aufsatz von 1971 (in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 8, 1971, S. 35-64; wiederabgedruck in "Grünewald" [wie Anm. 1], S. 69-101) geht Vetter erneut und diesmal sehr ausführlich auf die Inschrift ILVM OPORTET CRESCERE ME AVTEM MINVI ein, jedoch wiederum ohne dem Messiasgedanken die ihm entsprechende Bedeutung - nicht zuletzt für die Patienten des Antoniterspitals - beizumessen. Zudem führt auch hier seine Sammlung von biblischen und theologischen Zitaten und damit zusammenhängenden Beispielen aus der Kunstgeschichte von der Darstellung auf dem Isenheimer Altar und dem Kontext, in dem diese stand, so weit weg, dass sie kaum mehr als Interpretation der Mathis'schen Kreuzigungsdarstellung gelten kann. Eben dies indessen ist typisch für die Vorgehensweise der kunsthistorischen Forschung in und kurz nach der Mitte des 20. Jahrhunderts.

 

 

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