Venus von Milo, Ende 2. Jahrhundert v. Chr.; Paris, Louvre
Wenn gespart werden muss - sei es in einem Staat, in einem Betrieb oder in der ganz persönlichen Geldbörse - dann geht man zuerst an die Luxus-, oder, wenn es die schon nicht mehr gibt, an die 'nicht unmittelbar wichtigen' Ausgaben. Das ist nur logisch.
Man geht an das, was man 'sich gönnt', wenn man es sich leisten kann.
Entsprechend sehen wir es allerorten: Ganz oben auf der Liste jener Dinge, die man 'sich gönnt', die aber nicht von unmittelbarem Nutzen sind und daher in schwierigen Situationen zur Disposition stehen, steht die Kultur. Es ist nur verständlich, dass man, wenn man nicht genug zu Essen hat, sein Geld nicht für den Kauf von Theater- oder Konzertkarten verwenden wird: Wer Hunger hat, gibt sein Geld für Essbares aus, nicht für den Besuch eines Museums. Das ist nachvollziehbar.
Aber wenn wir uns offenen Auges in unserer Umgebung umschauen - die überwiegend nicht durch die unmittelbare Bedrohung durch Hunger geprägt ist -, werden wir feststellen, dass diese Ausgaben- und Einsparungspolitik Auswirkungen auf die Menschen hat. Es ist den Menschen anzumerken, ob sie sich zwischendurch mit Kunst und Kultur beschäftigen oder ob nicht.
Regelmäßige Stammtischbesucher sind nicht unbedingt bekannt dafür, dass sie sich häufig und intensiv kulturellen Veranstaltungen aussetzen.
Sie sind aber bekannt für ihr schnelles Urteil.
Wer wollte, könnte diese beiden Beobachtungen in eine Beziehung zueinander setzen. Die könnte beispielsweise lauten: Je mehr man sich Kunst und Kultur aussetzt, desto zurückhaltender und differenzierter wird man in seinem Urteil.
Aber kann das stimmen? Kultur ist doch 'für nichts nütze', ist 'von keinem unmittelbaren Wert', wie man allerorten (nicht nur an Stammtischen) hören kann. Die Aufführung einer Beethoven-Sinfonie lindert keinen Hunger, das Rezitieren eines Gedichts beendet keinen Krieg und die Betrachtung eines Bilds trägt nicht dazu bei, die Familie zu ernähren. Alles das ist nichts als 'Luxus', den man sich sparen kann ...
"Was allem überlegen ist: die Kunst. Ein Gedichtband ist mehr wert als eine Eisenbahn."
Gustave Flaubert
"Die Kultur kehrt die gewöhnliche Naturanschauung um und führt den Geist dazu, dasjenige 'Schein' zu nennen, was er gewöhnlich 'wirklich' nennt, und dasjenige 'wirklich' zu nennen, was er gewöhnlich 'visionär' zu nennen pflegt."
Ralph Waldo Emerson